Der Basic Life Support (BLS) ist der wesentliche Bestandteil der Reanimationsversorgung. Auch wenn die Evidenzlage für fast alle Seiten der Reanimationsversorgung recht dünn ist, so haben sich doch die wesentlichen Aspekte der Thoraxkompressionen herauskristallisiert und werden in den AHA-Guidelines hervorgehoben:
- Handposition: untere Hälfte des Sternums (Class IIa, LOE C-LD)
- Frequenz: 100 – 120 / Min (Class IIa, LOE C-LD)
- Drucktiefe: 5 – 6 cm (Class I, LOE C-LD)
- Vollständige Entlastung (Class IIa, LOE C-LD)
- Minimierung von Pausen während der Defibrillation (Class I, LOE B-NR)
Jeder Trainer im Bereich von BLS, ACLS und PALS kennt diese Eckdaten natürlich. Schwierig ist allerdings, sie den Teilnehmern in Fleisch und Blut übergehen zu lassen. Im Idealfall hat unser Training einen nachhaltigen Einfluss auf das Patientenoutcome, was wir als „Kirkpatrick 4“ bezeichnen würden. (Siehe dazu auch unseren Beitrag zum Thema „Effektivität von Simulation für Teilnehmer und Beobachter“).
Wie könnten wir da gemeinsam hinkommen?
Hier können zwei wissenschaftliche Arbeiten hilfreich sein. Die erste ist im Oktober 2019 in “Simulation in Healthcare: The Journal of the Society for Simulation in Healthcare” erschienen.
Hansen et al. haben die Fähigkeiten von BLS-Instruktoren zur Bewertung der Teilnehmerperformance „per Augenmaß“ mit der Auswertung der Performance über das Trainingsmannequin verglichen.
Die Kursteilnehmer waren Medizinstudierende im ersten Studienjahr. Die 28 Instruktoren waren ebenfalls Medizinstudierende aus höheren Semestern, die einen ERC-BLS-Instruktorenstatus hatten. Die meisten von ihnen hatten mehr als drei Jahre Erfahrung als Instruktor.
Das Trainingsmannequin war ein AMBU Man W, der am Boden platziert wurde. Es wurden 90 Assessments durchgeführt, von denen die Instruktoren 81 als erfolgreich einstuften (90%). Allerdings hatten nach Auswertung der Mannequindaten nur 2% der Teilnehmer alle Kriterien in Bezug auf Thoraxkompressionen und Notfallbeatmung auch wirklich erfüllt. Offenbar ist also das bloße Auge nicht sonderlich gut für eine Bewertung der zuvor genannten Qualitätsaspekte geeignet.
Aufgeschlüsselt sahen die Ergebnisse so aus:
Instruktor Erfolgsrate, % | Mannequin Erfolgsrate, % | Sensitivität (95% KI) | Spezifität (95% KI) | ||
Thorax-kompressionen | 96 | 30 | 0.96 (0.79–1.00) | 0.05 (0.01–0.14) | |
Kompressionstiefe | 99 | 41 | 0.97 (0.84–1.00) | 0.00 (0.00–0.08) | |
Kompressionsfrequenz | 97 | 66 | 0.98 (0.90–1.00) | 0.06 (0.01–0.23) | |
Notfallbeatmung | 93 | 4 | 1.00 (0.40–1.00) | 0.07 (0.03–0.15) |
Die hohe Sensitivität der Instruktoren bedeutet, dass sie die richtigen Handlungen sehr oft als richtig erkannt haben. So sind 96% (0.96) der „guten Thoraxkompressionen“ von ihnen auch wirklich als „gut“ erkannt worden. Das Problem ist in diesem Fall die Spezifität. Sie drückt aus, wie viele „falsche Handlungen“ auch als „falsch“ erkannt wurden. Bei den Thoraxkompressionen sind das grade einmal 5% (0.05). Wir haben es also mit vielen sogenannten „false positives“ zu tun. Falsche Dinge sehen richtig aus und suggerieren somit eine trügerische Sicherheit.
Natürlich muss man hier einwenden, dass die Studie zum einen nicht sehr groß war und wir es bei den Instruktoren mit Kommilitonen zu tun hatten, die möglicherweise gnädig in ihrer Bewertung sein wollten. Auch weiß man nicht, ob die Instruktoren auch tiefgehende Erfahrung mit der Reanimation echter Patienten haben. Allerdings sollte uns dieses Ergebnis schon nachdenklich machen, denn nicht nur diese Studie zeigt, dass wir als Menschen offenbar Probleme in der Bewertung bestimmter mechanischer Handlungen haben.
Spannend ist, dass es den Teilnehmern ähnlich zu gehen scheint. Auch ihnen fällt es schwer, selbst einzuschätzen, wie gut ihre Leistung ist.
Eine Studie aus Polen, die im September 2019 im „Cardiology Journal“ veröffentlicht wurde, gibt Hinweise darauf, dass es unseren Trainingsteilnehmern helfen könnte, wenn sie den BLS mit Hilfe eines Echtzeit-Feedback lernen. Die Autoren verglichen zwei Gruppen von Trainierenden (ebenfalls Medizinstudierende im ersten Studienjahr) miteinander. Beide Gruppen erhielten einen Basic-Life-Support-Kurs der AHA. Der ersten Gruppe (Interventionsgruppe) wurde ein direkt sichtbares Feedback über das Trainingsmannequin eingespielt, dass ihnen unmittelbar verriet, wie effektiv ihre Maßnahmen waren. Sie hatten also die Gelegenheit, ihre Kompressionen selbstständig noch während der Reanimation zu optimieren. Die zweite Gruppe (Kontrollgruppe) erhielt kein solches Feedback. Sie konnten ihre Ergebnisse erst nach der Trainingseinheit an einem Monitor sehen. Sowohl direkt nach dem Training als auch bei einem erneuten Test nach einem Monat war der BLS der Interventionsgruppe in allen Qualitätsindikatoren (z.B. Kompressionsrate, Drucktiefe, korrekte Entlastungen) deutlich besser. Wieso dieser Effekt aufgetreten ist, ist natürlich nicht eindeutig geklärt. Vermutlich aber haben die kurzen Feedbackschleifen in der Interventionsgruppe („Ich sehe, dass ich etwas optimieren muss und gewöhne es mir durch Verhaltensanpassung direkt richtig an.“) einen positiven Effekt auf das „Körpergedächtnis“.
Was können wir also mitnehmen?
Zunächst müssen wir annehmen, dass wir alle fehlbar sind. So wie unsere Teilnehmer Fehler beim BLS machen, machen wir als Trainer auch Fehler bei dessen Bewertung. Eine technische Auswertung des BLS, im Idealfall auch während ACLS-Szenarios, bietet einen echten Vorteil gegenüber dem bloßen Beobachten. Daneben sollte zumindest während des konkreten BLS-Trainings die Möglichkeit eines Echtzeitfeedback in Erwägung gezogen werden.
Ein guter BLS ist vermutlich einer der wertvollsten Skills, den man seinen Teilnehmern mitgeben kann. Wir sollten also alles daran setzen, dieses Ziel möglichst effektiv zu erreichen.
Hier noch die genannten Studien:
Hansen, C. et, al. (2019). Certified Basic Life Support Instructors Identify Improper Cardiopulmonary Resuscitation Skills Poorly. Simulation in Healthcare: The Journal of the Society for Simulation in Healthcare, 14(5), 281–286. doi:10.1097/SIH.0000000000000386
Katipoglu, B et. al. (2019) How should we teach cardiopulmonary resuscitation? Randomized multi-center study. Cardiology Journal. Online First. doi: 10.5603/CJ.a2019.0092