Kein Training ohne Feedback – Beatmung als zentraler Skill

Die richtige Beatmungstechnik ist eine Schlüsselfertigkeit vieler medizinischer Qualifikationen. So wird die Anwendung einfacher und erweiterter Beatmungstechniken in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter mehrfach explizit erwähnt. Intensivpflegende befassen sich ausführlich in ihrer Fachweiterbildung mit dem Thema und der zukünftige nationale Lernzielkatalog für Medizinstudierende (Version 2.0) https://nklm.de/zend/menu legt folgendes fest:

Notfallmedizinische therapeutische Maßnahmen

Bei entsprechender Indikation eine kontrollierte oder assistierte Beutel-Masken-Beatmung durchführen und Maßnahmen zur Optimierung dieser ergreifen.

Die Beutel-Masken-Beatmung wird in den Erläuterungen dazu sogar als “ärztliche Basiskompetenz” bezeichnet.

Wie kann Beatmung trainiert werden?

In der Akut- und Notfallmedizin existieren zahlreiche Anlässe zur Beatmung eines Patienten. Störungen des Atemantriebs, etwa bei Opioidintoxikationen, Hypoxien, respiratorische Erschöpfungen, Herz-Kreislaufstillstände oder die Beatmung im Rahmen der Narkoseeinleitung sind regelmäßig auftretende Herausforderungen.

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie rückte das Thema noch weiter in den Vordergrund. Als noch nicht abzusehen war, wie viele Patient:innen eine intensivmedizinische Betreuung benötigen würden, begannen viele Kliniken damit, Ärzt:innen und Pflegende in der Durchführung einfacher und erweiterter Beatmungstechniken zu schulen.

In einer Studie von Mouli et al. mit dem Titel “Effectiveness of simulation based teaching of ventilatory management among non-anaesthesiology residents to manage COVID 19 pandemic – A Quasi experimental cross sectional pilot study” https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7293371/ wurde die Effektivität von simulationsbasiertem Lernen für die zügige Vermittlung dieses Wissens aufgezeigt. 26 Teilnehmerinnen durchliefen ein strukturiertes Lernformat, das Hands-On-Sessions am Simulator enthielt. Der Vergleich von Pre- und Post-Test zeigte signifikante Verbesserungen in den Leistungen. 

Zugegebenermaßen handelte es sich hierbei um eine Studie ohne Kontrollgruppe, so dass sie aus methodischen Gründen nicht beweisen kann, dass Simulationen anderen Lernformen überlegen sind. Auf eine Kontrollgruppe wurde möglicherweise aus ethischen Gründen vor dem Hintergrund der laufenden Pandemie verzichtet. Eine Studie von Schroedl et al. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8043263/  aus dem Jahr 2021 kam aber zu einem ähnlichen Ergebnis. Hier schnitt die Kontrollgruppe, bei der eine andere Trainings-Methode angewendet wurde, deutlich schlechter ab.

Simulationsbasiertes Lernen scheint das Potenzial zu haben, wertvolle Fertigkeiten und Handlungsabläufe effizient zu vermitteln. Allerdings müssen bei der Ausrichtung dieser Trainingseinheiten zahlreiche Aspekte bedacht werden.

Feedback als Schlüssel zum Lernen

Im Jahr 2022 haben wir zwölf Artikel https://de.skillqube.com/das-jahr-des-trainings/ veröffentlicht, in denen wir uns mit gelungenem Lernen auseinandersetzen. In Beitrag 4 erklären wir, was auf  neuronaler Ebene im Gehirn passiert, wenn neue Informationen gespeichert werden. Ein Begriff, der immer wieder auftaucht und vor allem beim so wichtigen “Deliberate Practice” immer mitgedacht werden muss, ist Feedback. Eine Rückmeldung von einem Kollegen kann uns emotional wichtig sein. Sie kann uns zum Denken anregen oder uns wichtige Impulse mitgeben, wie wir unser Handeln beim nächsten Mal verändern können. 

Feedback kann jedoch auch abstrakter gemeint sein. Fassen wir versehentlich auf eine heiße Herdplatte, ist das auch eine Form von Feedback. Unser gesamter Sinnesapparat basiert auf Feedbackschleifen. Unser Körper erhält sofort ein Warnsignal, unsere Hand wird durch einen Reflex zurückgezogen und zumindest für eine Weile werden wir vorsichtiger mit dem Herd umgehen: 

Ist er wirklich komplett aus oder ist eine der Platten noch auf “kleiner Flamme” eingeschaltet, so dass man zunächst nicht bemerkt, dass sie heiß sein könnte?

Feedback kann aus der Perspektive ganz verschiedener Lerntheorien betrachtet werden. Etwa aus einer streng behavioristischen Perspektive, vor dem Hintergrund eines kognitiven Ansatzes oder unter Einbeziehung konstruktivistischer Grundannahmen.


Behavioristische Ansätze: Bedeutung von Feedback für Konditionierungen

Der Behaviorismus, insbesondere das Modell des operanten Konditionierens, betont die Rolle von Belohnungen und Sanktionen für die Entwicklung neuer Fertigkeiten. In diesem Sinne kann direktes Feedback beim Beatmen einer Reanimationspuppe als Belohnung oder Sanktion fungieren – je nachdem, ob die Lernenden die Technik korrekt oder falsch anwenden. So kann das direkte Feedback dazu beitragen, dass die korrekte Beatmungstechnik schneller erlernt und verinnerlicht wird. Der Einsatz eines Beatmungs-Feedbacks ermöglicht es, die Leistung der Lernenden objektiv zu bewerten und gezielt auf Fehler einzugehen, was die Effektivität des Lernprozesses erhöht.


Kognitivistische Perspektiven: Selbstreguliertes Lernen und metakognitive Strategien

Im Gegensatz zum Behaviorismus fokussiert der Kognitivismus auf die internen mentalen Prozesse, die beim Lernen eine Rolle spielen. Selbstreguliertes Lernen und metakognitive Strategien sind zentrale Konzepte dieser Theorie. Durch das direkte Beatmungs-Feedback können Lernende ihre eigene Leistung besser einschätzen und ihr Vorgehen gegebenenfalls anpassen. Die Möglichkeit, Beatmungshübe in Echtzeit zu messen, kann dazu beitragen, dass die Lernenden ihre eigenen Fähigkeiten und Fortschritte besser reflektieren und somit effektiver lernen. Sie sehen was sie tun und können darüber nachdenken, wie sie ihr Handeln optimieren können.


Konstruktivistische Ansätze: Individuelle Bedeutungskonstruktion und soziale Interaktion

Der Konstruktivismus betrachtet Lernen als aktiven Prozess, bei dem Lernende ihre eigenen Bedeutungen und Verständnisse aufbauen. Dabei spielt die soziale Interaktion eine wichtige Rolle. Durch den Einsatz des Beatmungs-Feedbacks können Trainierende ihre Erfahrungen und das “sichtbar gemachte Feedback” gemeinsam diskutieren und reflektieren. Was könnten Ursachen für Fehler während eines Beatmungs-Szenarios gewesen sein? Welche Strategien wendet eine besonders erfolgreiche Teilnehmerin an? Der gemeinsame Austausch ermöglicht es, individuelle Verständnisse zu erweitern und gemeinsam Lösungen für Probleme zu entwickeln. 


Ein Schlüssel zum Erfolg ist Einfachheit

Trainings zu konzipieren ist aufwändig. Ihre Durchführung ist mitunter sogar noch aufwändiger. Es wird Zeit, Raum, Material und Personal benötigt und von allem kann man oft kaum genug haben. Das kann zu Kosten- oder Ressourcenproblemen führen und das bringt Trainer:innen regelmäßig in ein Dilemma. Es gilt zum einen die Prinzipien guter Pädagogik niemals außer Acht zu lassen – Training bedeutet Aufwand und dieser Aufwand lohnt sich. Allerdings sollte der schonende Umgang mit Ressourcen immer mitbedacht werden. Einfache Workflows ermöglichen es, dass mehr Teilnehmer:innen geschult werden können und das kommt am Ende vor allem der Patientenversorgung zu Gute. Ideal ist es also, wenn man mit verhältnismäßig wenig Material und Technik viel Output generieren kann. Diese Idee hatten unsere Entwickler bei der Konzipierung unseres Beatmungssensors qubeAIRFLOW, der einfach an den Beatmungsbeutel angebracht werden kann. Beatmungsfrequenz und Beatmungsvolumen werden gemessen und in Echtzeit an den Patientenmonitor und das Trainer-Ipad gesendet. Auf diesem Wege ist zu jedem Zeitpunkt bekannt, wie hoch die Beatmungsqualität ist. Im Rahmen des Debriefings kann dann, ähnlich wie bei unserem CPR-Feedback qubeCPR , gezielt darauf eingegangen werden.

Hier geht es zu den oben genannten Studien:

Mouli TC, Davuluri A, Vijaya S, Priyanka ADY, Mishra SK. Effectiveness of simulation based teaching of ventilatory management among non-anaesthesiology residents to manage COVID 19 pandemic – A Quasi experimental cross sectional pilot study. Indian J Anaesth. 2020 May;64(Suppl 2):S136-S140. doi: 10.4103/ija.IJA_452_20. Epub 2020 May 23. PMID: 32773853; PMCID: PMC7293371.

Schroedl CJ, Frogameni A, Barsuk JH, Cohen ER, Sivarajan L, Wayne DB. Impact of Simulation-based Mastery Learning on Resident Skill Managing Mechanical Ventilators. ATS Sch. 2020 Dec 23;2(1):34-48. doi: 10.34197/ats-scholar.2020-0023OC. PMID: 33870322; PMCID: PMC8043263.