Spaced Learning und Booster Training

Die Reanimationsleitlinien der American Heart Association (AHA) von 2020 haben auf medizinisch-fachlicher Ebene zwar mir einigen Änderungen aufwarten können,  diese waren allerdings überschaubar und werden in den kommenden Wochen und Monaten gut in Ausbildung und Praxis umzusetzen sein. Allerdings ist diese fachliche Ebene nur ein Teil der Gesamtherausforderung. Ziel der AHA wird weiterhin sein, den plötzlichen Herztod auf ein Minimum zu reduzieren. Dies kann aber aus verschiedenen Gründen nicht alleine durch wissenschaftlich saubere Forschungsergebnisse und Erkenntnisprozesse gelingen. Aus diesem Grunde hat die AHA in den Leitlinien von 2020 einen starken Schwerpunkt auf zwei Themenbereich gelegt:

  • “Resuscitation Education Science” (Ausbildung), CPR & ECC Guidelines – Part 6
  • “Systems of Care” (Versorgungssysteme), CPR & ECC Guidelines – Part 7
    Hier erklären wir nochmal, was es mit diesen Bereichen auf sich hat.

In diesem Artikel möchten wir kurz die Themen „Spaced Learning und Booster Training” aus dem Leitlinienabschnitt zu Aus- und Fortbildung vorstellen.

Was sind „Spaced Learning und Booster Training”?

Beide Begriffe sind im deutschen Sprachraum nur als Randerscheinungen vertreten. Sie werden natürlich auch hier bereits vielerorts durchgeführt, haben aber einen anderen oder gar keinen eigenen Namen.

Bei „Spaced Learning“ handelt es sich, wenn man es denn übersetzen wollen würde, um „gestrecktes Lernen“. Die AHA zieht hier eine Grenze zu „Massed Learning“ also der gebündelten Vermittlung von Wissen. Die Idee von „Spaced Learning“ ist es, bestimmte Fertigkeiten nicht mehr als ein Paket, sondern vielmehr auf eine Strecke verteilt zu vermitteln. So wäre zum Beispiel die Aufteilung eines 8-stündigen Trainingstages auf vier 2-stündige Einheiten möglich. 

Das dieser Ansatz funktioniert kann neurowissenschaftlich erklärt werden, denn offenbar fördert vor allem das regelmäßige Weiterentwickeln bestehenden Wissens auch dessen Festigung auf „synaptischer Ebene“. Neurone bilden Synapsen und damit nach und nach komplexe Netzwerke aus. Umso stabiler das Netzwerk entwickelt ist, desto einfacher fällt einem das Erinnern.

Spannend ist hier, dass unregelmäßige Intervalle zwischen den einzelnen Lerneinheiten offenbar einen höheren Effekt haben, als regelmäßige. Man muss solche Forschungsergebnisse allerdings mit etwas Vorsicht genießen:

  • Sie zeigen uns eine ganz klare Richtung („Spaced Learning ist eine gute Methode!“), 
  • aber noch keinen detaillierten Plan („Genau 6,3 Tage sind das optimale Startintervall, dann 7,8 Tage und dann 9,3…!“). 

Zwar gibt es immer wieder Versuche mit verschiedenen Intervallen und Trainingstiefen. Diese variieren aber scheinbar mit den Lerninhalten. Bedenken muss man also, dass Wissen nicht gleich Wissen ist. Lernen wir „Skills“, trainieren wir unser prozeduales Gedächtnis, lernen wir Dosierungen auswendig, wird maßgeblich unser semantisches Gedächtnis gebraucht. Natürlich ist das nicht absolut trennscharf. Es schafft aber ein Bild von den Herausforderungen, die man bei der Entwicklung eines „optimalen Trainingsplans“ haben kann. 

Was bedeutet das für Trainer?

Dieser Punkt ist etwas kompliziert, denn unsere Kurse sind in der Regel 1-2 Tage lang und daher definitiv „Massed Learning“. Zwar erhalten die Teilnehmer im Vorfeld ein Buch und weitere Informationen, so dass Teile des Lernprozesses natürlich schon vor dem eigentlichen Kurstag beginnen könnten. Allerdings kann man hier wohl streng genommen nicht so recht von „Spaced Learning“ sprechen.

Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren.

  • Wir als SKILLQUBE zum Beispiel bieten bei Bedarf gerne einen vorgelagerten Onlinekurs zu den Themen Pharmakologie und EKG-Kunde an, so dass wir zumindest einige der Spaced-Learning-Effekte nutzen können.
  • Eine gute Möglichkeit für die betriebliche Fortbildung sind auch kurze regelmäßige in-situ Trainings, z.B. in einem ungenutzten RTW direkt an den Rettungswachen.
  • Darüber hinaus empfehlen wir unseren Trainingspartnern neben den AHA-Kursen regelmäßig sogenannte „Booster Trainings“ durchzuführen.

Man kann „Booster Training“ als Spielart des „Spaced Learning“ betrachten. Nach einem erreichten Kompetenzziel wird dieses ab und zu durch kurze Trainingseinheiten „geboostert“ (verstärkt). Eine Studie von R. M. Sutton aus dem Jahr 2011 hat dazu spannendes gezeigt:

Selbst eine kurze Trainingseinheit von insgesamt 240 Sekunden verbessert die Leistung bei einer pädiatrischen CPR-Simulation.

  • 60 Sekunden Einweisung
  • 120 Sekunden Hands-On
  • 60 Sekunden Feedback

Die Ergebnisse sind hier natürlich nur sehr stark verkürzt dargestellt, daher raten wir jedem die Lektüre der ganzen Arbeit:

Sutton, R. M., Niles, D., Meaney, P. A., Aplenc, R., French, B., Abella, B. S., Lengetti, E. L., Berg, R. A., Helfaer, M. A., & Nadkarni, V. (2011). „Booster“ training: evaluation of instructor-led bedside cardiopulmonary resuscitation skill training and automated corrective feedback to improve cardiopulmonary resuscitation compliance of Pediatric Basic Life Support providers during simulated cardiac arrest. Pediatric critical care medicine : a journal of the Society of Critical Care Medicine and the World Federation of Pediatric Intensive and Critical Care Societies, 12(3), e116–e121. https://doi.org/10.1097/PCC.0b013e3181e91271

Aber Achtung: Hier wurden lediglich relativ isolierte Fertigkeiten geboostert. Eine komplette Reanimation, inkl. der Teamdynamik, kann man natürlich nicht in solch kurzen Sessions trainieren. Als Trainer gilt also eine ganz genaue Adressatenanalyse durchzuführen.

Fazit:

  • Beim „Spaced Learning“ werden Trainingsinhalte über einen bestimmte Zeit gestreckt vermittelt. 
  • Beim „Massed Learning“ werden Trainingsinhalte gebündelt vermittelt.
  • Es gibt eine solide Evidenz für den Sinn von „Spaced Learning“, aber nicht für die konkrete Anwendung. Hier sind vor allem Analysefähigkeit und Erfahrung des Trainers gefragt.
  • „Booster Training“ nutzt man zur Verstärkung einer bereits erlernten Fähigkeit
  • Sowohl „Spaced Learning“ als auch „Booster Training“ sind vor allem für überschaubare, praktische und fachbezogene Lerninhalte geeignet. Teambezogene oder soziale Lerninhalte brauchen erfahrungsgemäß mehr Zeit.